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Interview mit Didem Ray de Latour von «Xquisit»


Xquisit-Messestand von Didem Ray de Latour auf der Business Expo 2019 in Zürich © Bellone Franchise Consulting GmbH, Zug/CH
Xquisit-Messestand von Didem Ray de Latour auf der Business Expo 2019 in Zürich © Bellone Franchise Consulting GmbH, Zug/CH
Prof. Veronika Bellone und Didem Ray de Latour auf der Business Expo 2019 in Zürich © Bellone Franchise Consulting GmbH, Zug/CH
Prof. Veronika Bellone und Didem Ray de Latour auf der Business Expo 2019 in Zürich © Bellone Franchise Consulting GmbH, Zug/CH

Wir trafen Didem Ray de Latour auf der Business Expo für KMU, am 7. Dezember 2019 in Zürich. Wir waren beeindruckt von ihrem werthaltigen Anspruch, von den schön designten Kleidungsstücken sowie von ihrem gesamten Nachhaltigkeitsansatz.

 

So wunderte es uns nicht, dass sie auf die Shortlist zur Preisverleihung kam. Wir halten Didems Kleinstunternehmen für ein gutes Beispiel eines neuen, wertgetriebenen Tiny Start-ups. Deshalb haben wir sie zu einem Kurzinterview gebeten, dass wir hier vorstellen wollen.

 

Aus Anlass der Corona-Krise haben wir ihr auch Fragen zur aktuellen Unternehmenssituation gestellt. Wir wollten wissen, wie es ihr während dieser anspruchsvollen Zeit geht und wie sie jetzt unternehmerisch vorgeht.

 

Wir hoffen, dass wir dadurch auch andere Tiny Start-ups inspirieren können, eigene Lösungswege zu entwickeln und zu gehen sowie gesund durch diese Krise zu kommen. Denn genau das, wünschen wir allen Tiny Start-upper*innen!

Was macht dich an deiner Selbstständigkeit glücklich?

Didem Ray de Latour auf der Messe © Foto: Didem Ray de Latour
Didem Ray de Latour auf der Messe © Foto: Didem Ray de Latour

«Als eine selbstständige Unternehmerin schätze ich es sehr, zu 100% mit meinen Werten arbeiten zu können. Ich realisiere ein Produkt oder eine Produktionslinie so, wie ich es für die Umwelt und den sozialen Standard für richtig halte. Einen hochwertig produzierten Stoff in der Hand zu halten, mit dem Wissen, dass durch ihn niemand und nichts geschadet wurde, gibt mir ein unfassbar gutes Gefühl. Auf der Basis eines guten Gewissens bin ich dann bereit aus diesem Stoff ein Modell zu gestalten (oder umgekehrt, ich suche einen passenden Stoff für ein Schnittmodell).

     In der kreativen Phase der Kollektionsgestaltung geniesse ich die Freiheit der Vielfältigkeit und halte mich gerne fern von dem üblichen Fashion-Zeitdruck und von Trendaktionen. Erst mit einer 100 prozentigen Zufriedenheit wird ein Prototyp in die Kollektion aufgenommen.

     Nach der Produktion (Neugeburt eines Produktes) wähle ich für diese Kleider behutsam einen Namen aus, welcher eine Schweizer Ortschaft als Pate aufweist. Dann dürfen sie unter die Leute, zu Kunden, auf Messen und zu Präsentationen. Ich bin dann sehr glücklich, wenn ich meine Kollektion bei jemandem sehe.» 

 

Was ist das Besondere an deinem Start-up?

«Glücksmoment» von Didem Ray de Latour © Foto: Ben
«Glücksmoment» von Didem Ray de Latour © Foto: Ben

«Modernes Design mit hochwertiger Stoffqualität durch umweltfreundliche Herstellung. Alle Produkte meiner Marke Xquisit werden aus 100% Naturmaterialien hergestellt. Nicht nur die Stoffe, sondern auch alle anderen Materialien, die man bei der Herstellung einer Kleidung braucht, stammen aus natürlichen Rohwaren (die Einlage, Nähfaden, Knöpfe, Care Label und Brand Label). Die ganze Wertschöpfungskette der Marke Xquisit (auch von den Produzenten) geschieht in Europa, da sich die Herkunft der Rohwaren innerhalb Europas befindet. Plastikfreie Produktion passiert auch beim Transport. Xquisit hat biologisch abbaubare Bags für die Blusen. Nur bei den grossen Produkten wie Trenchcoat verwenden wir eine grosse Tüte pro Schachtel, welche wir aber mehrmals benützen. Soziale Standards und faire Arbeitsbedingungen werden bei uns grossgeschrieben. Wir möchten Verantwortung für die Gesundheit der Mitarbeiter tragen und verhindern, dass die Produktionsstätten keine giftigen Chemikalien bei der Herstellung unserer Produkte verwenden. Ich hoffe, dass wir die Branche zu dem dringend nötigen Wandel, hin zu einer grüneren und nachhaltigeren Zukunft und einer besseren Arbeitsmoral, inspirieren können.» 

Wie gehst du mit der C-Zeit um?

«Jede Start-up Gründerin würde einen Buch darüber schreiben können, denke ich. Die Produktion ist eine Kette, wie bei der Landwirtschaft, wenn eine Saison oder ein Ring (Partei) ausfällt, beeinflusst es die anderen mittel- und langfristig. Ende März 2020 hatte ich ein Flugticket in die Türkei, um die Produktion der Kollektionen vor Ort zu regulieren, neue Naturfasern zu kaufen, einige neue Produkte für diesen Sommer zu produzieren, mit der Produktion der Herbstkollektion zu beginnen, Prototypen für die Kollektion Spring/Summer 2021 zu besprechen.

Drei Wochen intensive Arbeit in den Produktionsstätten, für aktuell drei Kollektionen, wurden aufgrund der jetzigen Massnahmen gestoppt. Und es kommt noch dazu, dass die Läden, die meine Kollektion haben, zurzeit nicht in der Lage sind, die Produkte zu verkaufen. Mehrere Messen, an denen meine Marke «Xquisit» im März und April teilgenommen hätten, sind storniert oder verschoben. Das heisst, keine Einnahmen weiterhin.

Im «Stand by-Modus» zu bleiben, ist eine Herausforderung. Geduld, Loslassen, Gelassenheit, Strategie ändern, Warten, was wir im Moment machen können. Da passiert gerade etwas ausserhalb von uns, was wir nicht ändern können. Wir können nicht mehr richtig planen und alles kontrollieren, wie wir es bisher gewöhnlich gemacht haben. Statt kämpferisch, aggressiv und depressiv mit dieser Situation umzugehen, hoffe ich, dass uns allen gelingt, bestens aus dieser C- Zeit herauszukommen.

Meine Strategien sind folgende: 

  • Für den Cashflow: Meine Kunden auf den Webshop zu kanalisieren, ohne sie zu pushen. Ich verkaufe nämlich nachhaltige Mode und ich werde glücklich, wenn die Konsumenten die Sachen einkaufen, die sie tatsächlich brauchen. 19% Rabatt anbieten: Normalerweise biete ich den Rabatt nur auf den Messen an. Nun ist es eine schwierige Zeit für alle Bereiche und Cashflow macht fast allen Angst. Mit dem Rabatt schenke ich meinen Kunden einen Betrag, um Danke zu sagen, dass sie uns in dieser Zeit unterstützen. Der Rabatt ist optional. Der Käufer/die Käuferin darf gerne den originalen Betrag einzahlen, dann überweisen wir 19% davon an unsere Läden, die im Moment geschlossen sind. Gutscheine: Wir sind sehr froh für jede Einnahme :) Gute Kontakte mit den Produzenten und B2B-Kunden (Läden) behalten: Ich habe meine Aufträge für die nächste Kollektion nicht gestoppt. So bin ich extrem froh, dass die Boutiquen ihre Bestellungen bei mir auch nicht storniert haben. Im schlimmsten Fall wird sich die Auslieferung verzögern und Cashflow kommt erst später.
  • Zeit für Marketing und Werbung: Online Messe teilzunehmen. Tolle Interview-Anfrage annehmen, Werbung für die Marke machen. Webseite aktualisieren. Facebook- und Instagram Ad- für einen Monat
  • Mehr Dienstleistungen bieten: Stofftaschen senden. Produkte zu Hause probieren lassen. Heimlieferung in der Stadt Zürich ermöglichen. Über die Modelle der nächsten Kollektion informieren. Sie günstiger als Pre-Sale verkaufen.
  • Mehr Zeit für die übernächste Kollektion zu nutzen: Modelle für Spring/Sommer 2021 in Ruhe kreieren.»
Didem Ray de Latour © Foto: Didem Ray de Latour
Didem Ray de Latour © Foto: Didem Ray de Latour

Interview © Autorenduo Prof. Veronika Bellone & Thomas Matla für www.tinystartup.ch