Interview mit Martina Schäfer, Gründerin eines Haarstudios für Menschen mit Demenz

Ob im ZDF Mittagsmagazin, im SWR oder in diversen Zeitungen und Magazinen - die Friseurmeisterin Martina Schäfer hat mit ihrem besonderen Haarstudio für Menschen mit Demenz bereits eine grosse mediale Beachtung erzielen können. Im November 2023 wurde sie zudem mit dem Gründerinnenpreis Rheinland-Pfalz ausgezeichnet. Der Preis ehrt beeindruckende und inspirierende Frauen, die zeigen, dass sich Mut und Engagement lohnen. Wir haben die sympathische Martina Schäfer auf der FranchiseExpo 2023, in Frankfurt am Main, kennengelernt und wollten mehr über ihre Gründungs-Motivation, die Besonderheit ihres Geschäftskonzeptes und ihre Ziele erfahren. Wir freuen uns sehr, ihr Interview heute auf unserer Plattform für Kleinunternehmer:innen präsentieren zu dürfen.

Haarstudio für Menschen mit Demenz © Martina Schäfer Haarstudio

Was ist das Besondere an deinem Tiny Start-up?

Martina Schäfer, Gründerin Haarstudio für Menschen mit Demenz © Martina Schäfer Haarstudio

«Mein Haarstudio ist auf die Betreuung von Kunden mit Demenz spezialisiert. Mein Team wurde speziell geschult, um diesen Kunden das bestmögliche Erlebnis zu bieten. Wir nehmen uns die Zeit, um deren individuelle Bedürfnisse und Wünsche zu verstehen und stellen sicher, dass sie sich wohl und beschützt fühlen. Wir verwenden auch spezielle Techniken, um sie zu beruhigen und ihnen eine angenehme Erfahrung zu bieten, wie zum Beispiel sanfte Berührungen und beruhigende Musik. Unser Ziel ist es, unseren Kunden mit Demenz ein Gefühl der Normalität und des Wohlbefindens zu vermitteln. Wir wissen, dass der Besuch beim Friseur für viele Menschen ein wichtiger Teil ihres Lebens ist, und wir möchten sicherstellen, dass unsere Kunden mit Demenz genauso viel Freude daran haben wie jeder andere.»

Wie bist du zu deiner Geschäftsidee gekommen?

«Die Initialzündung für die Gründung des „Haarstudio für Menschen mit Demenz“, gab mir meine Zeit als mobile Friseurin. Auf einer Demenz Station schnitt ich 7 Jahre lang, demenzerkrankten Kunden, in einem kahlen Badezimmer die Haare. Darunter waren viele so genannte Kriegskinder dabei (Anmerkung: Jahrgänge 1930 – 1945).

Wenn ich in dieser Umgebung mit meiner Haarschneidemaschine bei den Männern anfing, kamen schlechte Erinnerungen hoch. Viele bekamen Angst. Das war schlimm und ich dachte, „das“ kann man besser machen. 2020 absolvierte ich meine Weiterbildung zum Betriebswirt im Handwerk. Meine Projektarbeit im Bereich Innovationsmanagement schrieb ich zum Thema „Der richtige Umgang mit an Demenz erkrankten Kunden im Friseur-Handwerk“. Ich erstellte ein Konzept und setzte dieses 2021 mit der Eröffnung eines Haarstudios in einer Seniorenresidenz, das auf die besonderen Bedürfnisse Demenz erkrankter Kunden eingerichtet ist, um. Ich möchte in Verbindung mit dem Handwerk etwas „Gutes“ tun. Es ist eine andere Form des Handwerks, aber eine sehr wertvolle.»

Was macht dich an deiner Selbstständigkeit glücklich?

«Es ist ein sehr erfüllendes Gefühl, wenn du es schaffst, dass ein Mensch, der zum Teil noch nicht mal selbst weiß wer er ist, dir sein Vertrauen schenkt und so seine Angst verliert. Ich halte mir immer vor Augen, das sind zum Teil Menschen, die vielleicht zum allerletzten Mal beim Friseur sind und du hast die Möglichkeit, ihnen nochmal einen schönen Moment zu geben. Es gibt für mich nichts Schöneres als so zu arbeiten.

Das Leben als selbstständige Unternehmerin besitzt zahlreiche Vorzüge. Einer der größten Vorteile besteht zweifelsohne in der Freiheit, die eigene Arbeit nach den eigenen Vorstellungen gestalten und organisieren zu können. Ich schätze es sehr, dass ich meine Entscheidungen selbst treffen und meine Ideen und Visionen in die Tat umsetzen kann. Zudem schenkt mir meine Selbstständigkeit die Flexibilität, die ich benötige. Ich bin in der Lage, meine Arbeitszeit individuell zu gestalten und somit mehr Zeit für meine Familie und meine Hobbys zu haben. Selbstverständlich gibt es auch Herausforderungen und Risiken, die gemeistert werden müssen. Doch insgesamt empfinde ich meine Selbstständigkeit als sehr erfüllend und bereichernd.»

Welche Ziele hast du mit deinem Geschäftskonzept?

«Ich möchte anderen Friseurkollegen, meine Arbeit mit Senioren und mit an Demenz erkrankten Kunden nahebringen. Ihnen Hilfestellung und Anleitung geben. Hierfür biete ich Workshops über den Umgang mit demenzkranken Kunden im Friseurhandwerk an. Viele Kollegen haben „Angst“ im Umgang mit beeinträchtigten Kunden. Doch es ist ein sehr wichtiges Thema, auch aus betriebswirtschaftlicher Sicht. Friseur-Salons haben Kunden mit denen sie alt werden.

Ich möchte mein Konzept als Franchise anbieten. Jedes Seniorenheim sollte mit einem “Haarstudio für Menschen mit Demenz” ausgestattet sein. Der Demographische Wandel bringt es mit sich, dass es immer mehr ältere Menschen gibt, darunter auch immer mehr demenzielle Menschen. Für die Angehörigen ist ein Friseur, der im Umgang mit an demenzerkrankten Kunden geschult ist, eine große Erleichterung.»