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Die Lebensgeschichten von Tiny-Startupper:innen sind immer wieder spannend. Vor allem, wenn zwar die Charakterzüge und Talente bereits früh auf eine Selbstständigkeit hinweisen, die Lebenswege aber erst einmal in eine ganz andere Richtung gehen. So war es auch bei Mayra. Ihr Ringen mit der Neuausrichtung, hin zu ihrem Tiny Start-up, hat sie uns so authentisch geschildert, dass sich bestimmt einige darin wiedererkennen. Zum Glück hat sie sich «getraut». Die Stadt Ascona, am Fusse des Lago Maggiore, im Tessin, hat damit eine Trouvaille gewonnen. Das Geschäft, in dem Mayra ihre Fundstücke präsentiert, ist nämlich selbst ein Fundstück. Sie bietet keinen Mainstream, sondern sorgsam ausgesuchte Schuhe, Kleider, Accessoires und mehr – aber lest doch bitte selbst.
Mayra: Das Besondere an meinem Laden ist für mich, dass er sehr persönlich ist und sich alles um Gefühle dreht. Es soll Freude bereiten, in meinen Laden reinzuschauen und reinzukommen. Ich suche jeden Artikel für meine Kundschaft selbst aus. Mit viel Hingabe und Liebe zum Detail.
Im Schuhsortiment habe ich eine Hauptmarke. Da stelle ich bei jedem Modell meine persönliche Kombination nach Farbe und Material zusammen. Die Schuhe werden in einer Fabrik in Spanien auf Bestellung hergestellt. Ich suche mir aus der jeweiligen Kollektion Modelle aus und diese werden dann in meiner eigenen Kombination, exklusiv nur für mein Geschäft, produziert. Es kommt immer wieder vor, dass ich meine Kundinnen vorinformiere, so dass ich speziell auf Ihre Wünsche eingehen kann und die Schuhe nach Ihrem persönlichen Geschmack anfertigen lasse. Es sind dann ganz spezielle Schuhe, die grosse Freude bereiten.
Es ist eine ständige Herausforderung auf «Made in Europe» zu setzen. Aber Nachhaltigkeit ist mir wichtig. Ich habe direkten Kontakt zu allen meinen Lieferanten und einen direkten Bezug. Mir ist es wichtig zu wissen, woher meine Artikel kommen. Ich arbeite mit Firmen, die nach Nachhaltigkeitskriterien arbeiten und zertifiziert sind. Bei den Schuhen bleibe ich bei spanischen Familienunternehmen. Neu kommt auch eine kleine spanische vegane Schuhmarke hinzu, auf die ich mich sehr freue.
Speziell sind die handgenähten Kleider. Lange bevor ich mich selbstständig gemacht habe, war ich selbst Kundin bei der Schneiderin, die die Kleider zusammen mit Ihrer Schwester anfertigt. Ich freue mich sehr, dass ich ihre einzigartigen Modelle in meinem Laden verkaufen kann und sie damit gleichzeitig unterstütze. Ich habe eine Bindung zu jedem Artikel, den ich verkaufe und kann mich damit identifizieren.
Auch die Einrichtung meines Geschäftes ist nachhaltig. Alle Regale und Kleiderständer sind handgemacht aus recycliertem Holz und aus Leitungsrohren. Ein guter Freund hat diese nach meinen eigenen Wünschen selbst designt und angefertigt. Die Elemente lassen sich bewegen und bieten mir die Kreativität und Freiheit, mein Geschäft mit viel Liebe immer wieder neu zu dekorieren.
Mayra: Vor meiner Selbstständigkeit war ich Büroangestellte und habe in Zürich gewohnt. Meine Leidenschaft galt weniger meinem Beruf, sondern meinem Hobby «dem Tanzen». Ich habe jahrelang lateinamerikanische Tanzturniere im In- und Ausland getanzt. Ich habe diesen Sport sehr intensiv betrieben. Nachdem ich nicht mehr aktiv in der Turnier-Tanzszene war, fehlte es mir, meine Leidenschaft und Kreativität zu entfalten. Im Bürojob ging das nicht. Ich wollte etwas für mich machen, etwas das mir ermöglicht, mich selbst einzubringen.
Über Weihnachten besuchte ich meine Familie in Spanien und da kam mir die erste Idee. Ich realisierte, dass die Gegend, aus der ich ursprünglich komme, eine lange Tradition in der Schuhherstellung hat. Nach meinen Ferien kam ich zurück nach Zürich – mit vielen Gedanken und Bildern im Kopf, die sich um die Schuhe drehten. Alles war aber nur in meinem Kopf und noch nicht konkret. Ich hatte keine Ahnung: Wie? Wo? Ob? Würde ich mich trauen, ein eigenes Geschäft aufzubauen? Ich machte alles mit mir selbst aus.
Aber die Vorstellung vom eigenen Geschäft gefiel mir. Und dann fiel die Entscheidung recht spontan. Ich war auf einem Kurztrip in Ascona, traf dort eine Bekannte mit der ich mich über meine Idee austauschen konnte. Ja, und dann sah ich ein leeres Geschäftslokal. Spontan rief ich an. Tage später bekam ich einen Rückruf, dass ich den Laden mieten könnte. Ich weiss noch, wie ich in meiner 2.5 Zimmer-Wohnung im Kreis lief und mir sagte „Atrévete!“ …Mayra „Atrévete!“.
Da wusste ich, wenn ich den Schritt gehe, dann ist das Erste, was ich habe, der Name „Atrévete“. Das ist Spanisch und heisst so viel wie: "Trau’ Dich! Hab Mut!" Und das im doppelten Sinn. Einerseits musste ich mir Mut zureden. Andererseits würde Atrévete auch zu meiner Kundschaft passen. Denn ich wollte mit meinem Geschäftskonzept keinen Trends hinterherrennen, sondern vielmehr zu einem eigenen Stil ermutigen, mit einem speziellen Angebot, das dies ermöglicht. Kurz darauf kündigte ich meinen Job und ging nach Spanien. Ich suchte mir einige Fabriken aus und vereinbarte Termine, um mein Vorhaben zu besprechen. Mittlerweile sind es bald zehn Jahre und ich verkaufe neben Schuhen, viele andere Artikel. Mein Sortiment ändert sich immer wieder, denn das ist das, was ich liebe.
Mayra: An meiner Selbstständigkeit macht mich meine Freiheit glücklich. Die Freiheit und Kreativität, selbst entscheiden zu können, wie ich mein Geschäft gestalte. Auch wenn es nicht immer einfach ist, alle Entscheidungen alleine treffen zu müssen, schätze ich es heute immer noch sehr und empfinde es als ein grosses Glück, mein eigenes Geschäft zu haben. Es freut mich jeden Tag, etwas dazulernen zu können. Glücklich machen mich auch die vielen schönen Begegnungen, die ich im Laufe der Jahre in meinem Laden und durch meine Geschäftstätigkeit gemacht habe und mache und die mein Leben bereichern. Wenn ich die leuchtenden Augen meiner Kundinnen sehe oder schöne Feedbacks bekomme, dann freue ich mich. Glücklich macht mich auch, ein Stück Spanien präsentieren zu können und beim direkten Kontakt mit den Fabriken, meine Muttersprache sprechen zu können.
Homepage: https://www.atrevete.ch/
Interview © Autorenduo Prof. Veronika Bellone & Thomas Matla für www.tinystartup.ch
Ein Pro Bono Projekt von
Prof. Veronika Bellone & Thomas Matla
»Weil aus den kleinsten Start-ups, Grosses entstehen kann!«
Bellone Franchise Consulting GmbH, Zug/Schweiz
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